Hier mal wieder ein tiefergehender readaktioneller Beitrag zur allgemeinen LOHAS Diskussion.
Nun bin ich mittlerweile fast drei Jahre im Bereich LOHAS selbstständig und habe den Begriff in Deutschland verbreitet und inhaltlich mitgeprägt. Ich habe in dieser wunderbaren Zeit als Unternehmer, Berater, Trendforscher und spiritueller Sucher viele Menschen unterschiedlichsten Alters getroffen und mit diesen über Sinn und Unsinn, Bedeutung und Intrepretation von LOHAS diskutiert. Zudem habe ich viel zu dem Thema gelesen, in Blogs, Fachzeitschriften und Büchern.
In dieser Artikelserie möchte ich diese Erfahrungen und Erkenntnisse mal reflektieren und auf einen meiner Meinung nach sinnvollen strategischen Ansatz im Umgang mit LOHAS verdichten.
Was bedeutet LOHAS überhaupt?
Während die einen denken, es sei der Plural von einem LOHA, haben die anderen vergessen oder übersehen, dass die ursprüngliche Bedeutung tatsächlich ein Plural war (im englischen Wikipedia noch korrekt als „LifestyleS“ beschrieben) und benutzen die Formulierung „der Lifestyle of Health and Sustainability“. So steht es auch im deutschen Wikipedia als Singular. Die Bilder und Berichte rund um diesen einen Lebensstil wurden vorwiegend auf die Themen „Green Glamour“ und „Moralische Hedonisten“ reduziert. Häufig wurde LOHAS auch in Abgrenzung zur ersten Öko-Generation definiert. Zu welchen Spannungen das geführt hat kannst Du in meinem Blog-Beitrag „Unity in diversity – LOHAS vs. Ökos“ aus November 2008 lesen.
Hier mal meine derzeitige Erklärung:
LOHAS – Lifestyles of Health and Sustainability – sind unterschiedliche Lebensstile, welche die Themen Gesundheit und Nachhaltigkeit in den Mittelpunkt des Lebens setzen. Damit wird LOHAS zu einem Ettikett einer vielschichtigen soziokulturellen Strömung. Als zeitgemäßer Teil wichtiger (Pionier-)Strömungen wie der Umweltbewegung und der alternativen Medizin sind LOHAS in der Mitte der Gesellschaft angekommen und wirken von dort auf alle Bereiche der Gesellschaft.
Welche Relevanz hat der Begriff LOHAS?
Insbesondere die Wirtschaft und speziell das Marketing hat früh den Begriff als „neue Powerzielgruppe“ (Hier ein Beitrag von mir vom Februar 2007 zu genau diesem Thema) oder als „Moralischen Konsumenten“ aufgegriffen. Diese wirtschaftliche Interpretation in der Diskussion im Kontext unternehmerischer Verantwortung und Konsumentenmacht greift zwar deutlich zu kurz, hat aber einen wichtigen Beitrag geleistet, um die Relevanz des Themas Nachhaltigkeit in der Wirtschaft zu erhöhen.
Da ich als Betriebswirt der Überzeugung bin, dass gerade die Wirtschaft einen großen Hebel im Wandel der Welt darstellen kann, bin ich mit diesem Beitrag des Begriffes LOHAS zufrieden. Dies kann aber nur ein erster Schritt sein. Wenn Unternehmen sich nur aus „Imagegründen gegenüber der Kunden / LOHAS“ wandeln, laufen sie Gefahr des Greenwashings bezichtigt zu werden.
Welche Bedeutung die oben von mir gezeichnete Grafik im Kontext des bisher Geschriebenen hat, werde ich in einem weiteren Artikel erläutern.
Hallo,
Ich glaube nicht, dass diejenigen, die sich selbst als LOHAS verstehen und diesen Lebensstil erfreulicherweise voran bringen, zugleich eine analytische oder gar beratende Perspektive einnehen können. Dazu fehlt die Distanz. Als Lebensstilforscher, der ökologische Zielgruppen seit 20 Jahren untersucht, weiss ich, es handelt sich um eine von vielen Lebensstilgruppen. Diese hat jedoch, weil das Thema Nachhaltigkeit (nicht jedoch die LOhas!) in die gesellschaftliche Mitte gerückt ist, eine wichtige Bedeutung für die Produktentwicklung und KOmmunikation. Sie sind jung, haben Kinder, definieren Ökologie nicht mehr altruistisch, sondern als Eigennutz.
Sie verbinden Sustainability mit Spass, Design und Selbstbezug. Deshalb verwechseln sie sich gerne mal mit der Mitte der Gesellschaft. Das Phänomen kommt eindeutig aus den USA, die homepage war schon Anfang der Nullerjahre online. 2003 haben wir – das ISOE – eine ähnliche Zielgruppe in Deutschland gemessen (http://www.invent-tourismus.de/)
Gruß
Konrad Götz, ISOE Frankfurt Main
Lieber Dr. Götz,
danke für den konstruktiv-kritischen Kommentar.
Die „fehlende Distanz“ oder – wollen wir es in der KarmaKonsum üblichen positiven Art ausdrücken – „persönliches Involvement“ ist Chance und Risiko zugleich und ich teile Ihre Meinung nicht, dass man dadurch per se nicht anaylsieren und beraten kann. Viele unsere Kunden und Kooperationspartner schätzen gerade unsere „Marktnähe“ in der Analyse und Beratung.
LOHAS – so steht es auch in meinem Artikel – ist für uns ein „Überbau“ von ganz verschiedenen nachhaltigorientierten Lebensstilen. Auch unsere gemeinsame Studie mit Sinus SocioVision belegt dies. http://karmakonsum.de/sinus
Die von Ihnen beschriebene „Lebensstilgruppe LOHAS“ gibt es also in der Einzahl für uns nicht. Die von Ihnen beschrieben „LOHAS“ mit den Attributen jung, Kinder, Selbstbezug findet sich in der SINUS Studie im Typen „Der verantwortungsbewusste Familienmensch“ wieder. Dieser Typus ist allerdings nur ein von fünf „LOHAS Typen“.
In einem sind wir uns ja einig: Es gibt unterschiedliche nachhaltige Lebensstilgruppen, hängen wir ihnen nun das Ettiket LOHAS an oder nicht. Dies gilt es weiter zu untersuchen, sei es hochwissenschaftlich wie Sie oder intuitiv analytisch wie wir. Und den Diskurs darum möchte ich weiter mit Ihnen führen – gerne auch wieder mal persönlich. Und dies gerade im Kontext des gemeinsamen Standortes Frankfurt, deren politische Vertreter sich auf den Weg zu einer nachhaltigen Stadt gemacht haben.
Gruß
Christoph Harrach
Ich frag mich immer, wie das mit der „Mitte der Gesellschaft“ gemeint ist? Ob LOHAS oder Nachhaltigkeit – beides ist meiner Meinung nach leider noch immer nicht in den breiten Bevölkerungsschichten angekommen und vor allem verankert.
Man sollte die Diskussion über die LOHAS heute etwas empirischer führen. Dazu mein Aufsatz „Kaufboykottbereitschaft in finanziellen Krisenzeiten“. Eine exploratiuve Studie unter Studierenden“ in: Humane Wirtschaft 3(2010.
Eines der Ergebnisse: Trotz und gerade bei persönlicher und öffentlicher Finanzkrise steigt die Bereitschaft zu Kaufboykotten, auch wenn sie nicht immer und bei allen Produkten realisiert wird,
Interessenten schicke ich den Aufsatz gerne auf Anfrage unter harro@honolka.eu
@Holk: Ich glaube auch und gerade unsere Studie mit Sinus belegt, dass große Teile der Gesellschaft mit den Werten NAchhaltigkeit und Gesundheit sympathisieren. Alleridngs fehlt häufig noch die Umsetzung. Aber im vergleich zu den Anfängen der Umweltbewegung ist das Thema viel „salonfähiger“ geworden. Ob es für den notwendigen Wandel des Gesamtsystems reicht, werden wir sehen. Wir arbeiten dran.
@Honolka: Deien Ergebnisse bestätigen meine „Vermutungen“ und ich denke, wir brauchen beides: Empirische Untersuchungen aber auch „BAuchgefühl“ für gesellschaftliche Bewegungen.
LG
Christoph
Ich frage mich gerade, wie man in einer lebensfeindlichen Großstadt wie Frankfurt am Main gesund und nachhaltig als LOHA überleben kann. Mein Eindruck von Frankfurt ist von Flugzeuggeräuschen, Straßen, Autogerechtigkeit, ausufernder Siedlungstätigkeit und relativ wenig Grün geprägt. Bringt es dass: im Großstadtdunst gesundes Biogemüse essen ?
@Kerstin: Da eilt Frankfurts Ruf voraus. In der Tat ist der nicht so toll. Hier gehen aber wie so häufig Annahme und (von uns empfundene Realität) deutlich auseinander. In einer Stadt wie FFM lässt es sich mit vielen großen Parks, tollen Wohngebieten prima leben. Vor allem vor dem Hintergrund, dass NAchhaltigkeit hier einen immer größeren Stellenwert einnimmt, da verstanden wird. dass dieser auch einen Wettbewerbsvorteil bedeutet. So ist Frankfurt z.B. die Hauptstadt der Passiv- und Niedrigenergiehäuser und gilt als deutsche Modellregion für Elektromobilität. Weitere Informationen dazu findest du hier http://www.fr-online.de/rhein-main/die-stadt-der-zukunft—jetzt-/-/1472796/2697994/-/index.html oder hier http://www.frankfurt.de/sixcms/detail.php?id=8440&_ffmpar%5B_id_inhalt%5D=7013277
[…] „Die strategische Bedeutung von LOHAS“ von Christoph Harrach von KarmaKonsum. 1. Teil: Definition des Begriffs 2. Teil: Das Phänomen LOHAS und dessen interne […]